Wer die Codewörter der Mafia kennt, der weiß, wann er erpresst wird
„Kommen Sie auf den Punkt, was sagte er?“
„Nur zwei Worte: Sono stanco! Zu Deutsch: Ich bin müde.“
„Zugegeben, polizeilich verwertbar ist das nicht gerade. Aber Sie deuten diese zwei Worte als Drohung?“
„Das kann vieles heißen. In manchen Kreisen der Ehrenwerten Gesellschaft bedeutet es: Ich diskutiere nicht lange herum, ich schaffe Fakten. Nehmen Sie sich in Acht.“
„Mafia?“
„Ich bin mir fast sicher. Sie verstehen hoffentlich, warum ich nicht einfach zur Polizei gehen kann.“ Tom hatte der Fisch ausgezeichnet geschmeckt, Matteo stocherte an der Köstlichkeit herum und ließ die halbe Seezunge auf dem Teller liegen. Er bestellte noch Espresso und Grappa. „Morgen muss ich Ihre Entscheidung wissen, die Zeit drängt.“
„Was wird aus mir, sollte ich meinen Job bei Ihnen beendet haben?“
„Sie bleiben im Unternehmen, werden zuständig für Sonderaufgaben. Wichtig ist mir nur, dass Sie kommen. Sie kennen sich in dem Milieu aus.“
„Moderne Mafiosi verstecken sich nicht mehr in tiefen Wäldern, tote Briefkästen kennen Sie nur aus Erzählungen.“ Anton Hunger
„Ein solches Buch, das historische Realität und literarische Fiktion nahtlos verbindet und auch noch spannend erzählt ist, hat es in der deutschen Literatur schon lange nichr mehr gegeben.“ Prof. Dr. Mario Andreotti, Dozent für Neuere Deutsche Literatur, St. Gallen
Leseprobe
Oberstaatsanwältin Giulia Galvani war sofort am Hörer. Tom hatte ihre private Handynummer, seit sie sich nach mehreren gemeinsamen Verabredungen zum Essen etwas nähergekommen waren. Es war mehr als eine rein geschäftliche Beziehung, sie duzten sich sogar inzwischen. Tom hatte ihr den entscheidenden Tipp gegeben, der zur Ergreifung des Mörders ihres Vaters führte. Der war als italienischer Gastarbeiter in den sechziger Jahren nach Deutschland gekommen und in Castrop Rauxel hängen geblieben. Aber Nordrhein-Westfalen gab ihm nicht nur Arbeit, das Bundesland war auch, neben Baden-Württemberg, einer der wichtigsten Stützpunkte der kalabrischen Mafia-Organisation `Ndrangheta nördlich der Alpen. Irgendwann ließ er sich nach wiederholten Anwerbeversuchen darauf ein, der kriminellen Organisation beizutreten und Schutzgelder zu erpressen. Das gelang nicht immer, weshalb ihm die Organisation unterstellte, erpresstes Geld in die eigene Tasche zu stecken. Eines Tages wurde er in einem entlegenen Waldstück gefunden. Gekreuzigt an einem Baum. Ein Ritualmord. Seitdem hatte sie sich dem Kampf gegen die Mafia verschrieben.
„Ich hätte Gesprächsbedarf, eine heikle Geschichte.“
„Dringend?“
„Sehr sogar.“
„Okay, komm in mein Büro. Ich habe nicht viel Zeit.“
Tom nahm im Verlag mehrere Stufen auf einmal, rannte zum Parkplatz und preschte mit seinem Audi zur Staatsanwaltschaft. Die Polizistin an der Pforte kontrollierte seinen Personalausweis, telefonierte mit Galvanis Sekretärin, die den avisierten Tom Schwertfeger abholen sollte. Frau Galvani orderte bei der Sekretärin Espresso.
„Na, wo hast du deine Spürnase wieder reingesteckt?“
„Ich kann erst reden, wenn du mir zusicherst, dass du nicht ermitteln wirst.“
„Bei Mord oder Totschlag muss ich ermitteln. Und wenn du davon weißt und nicht auspackst, kann ich dich in Beugehaft nehmen lassen.“
„Es geht nicht um Mord oder Totschlag, es geht um mich.“
„Das wird ja immer geheimnisvoller. Wieso brauchst du den Rat einer Staatsanwältin? Bist du etwa straffällig geworden?“
„Nichts von alledem. Es geht um die Unterwanderung eines Unternehmens, vermutlich durch die Mafia.“
„Wie kommst du darauf?“
„Der Firmenchef hat mir von einem erpresserischen Telefonat berichtet. Er kann nicht zur Polizei gehen, das Vorhaben sei zwar nur mit erheblicher krimineller Energie zu stemmen, juristisch aber nicht angreifbar. Auch die Drohung dem Firmenchef gegenüber sei nicht in justiziabler Form ausgesprochen worden, der Anrufer hätte Codeworte benutzt.“
„Was sagte der Erpresser zu dem Firmenchef?“
„Sono stanco.“
„Und das verstand der als Drohung?“
„Er ist Italiener und gestand mir, die Codes entschlüsseln zu können.“
„Er hat Recht, das ist eine Drohung. Der Erpresser könnte tatsächlich von der Mafia sein. Aber was hat das mit dir zu tun?“
„Ich soll den Erpresser ausfindig machen. Dazu will er mir eine gut dotierte Anstellung in seinem Unternehmen verschaffen.“
„Was hindert dich daran?“
„Ich bin Reporter und kein Privatdetektiv.“